Kampf um den klaren Blick

Kampf um den klaren Blick

 

 

Der Blick auf die Welt will geschärft sein. Meiner ist es immer noch nicht, obwohl ich mich seit Jahrzehnten bemühe. Was ist die reine Wirklichkeit? Ich weiß es nicht, denn mein verdammter Kopf, auch das Unterbewusstsein, richtet womöglich alles so zurecht, dass es in die Gewohnheiten passt. Das Gehirn ist womöglich ein von Routine dominiertes Vehikel, eine Art innerer Algorithmus, der immer das in die Gehirnschublädchen schiebt, was zu meiner Gewohnheit passt. Da ist leider niemand, der das neutral bewertet.

Kürzlich habe ich eine Reise in den Norden gemacht und festgestellt, dass die Gegend sehr schön ist. Die  niederen Horizonte mit der versinkenden Sonne in voller Breite waren mir beglückend. Ich kann das genießen, aber im Hinterkopf läuft ständig das Hamsterrädchen meines Berufstandes. Nicht nur für mich, sondern allgemeiner Ansicht nach ist das Essen, die Ernährung vom Acker bis zum Kochtopf eine essenzielle Kulturangelegenheit. Der ganze Norden ist nicht gerade das Füllhorn der kulinarischen Freuden. Trotzdem, das schönste an der Wüste sind die Oasen (Worpswede, „Zum Hemberg“)!

Und dann dreht sich mein Wesen keineswegs nur um Mampferei. Größte Freude ist mir im Licht der Natur zu gehen, zu sitzen und zu schauen. Ich setzte mich auf eine Stein, nur das und sonst gar nichts. Einfach sitzen und träumen. Es herrscht Ruhe. Trotzig gab die Natur wegen Windstille nicht das geringste Geräusch von sich. Die Ohren hatten nichts zu tun. Die Augen aber um so mehr. Einfach sitzen und gucken. Die indigofarbenen Bäume und Hecken am Horizont, eine gerade Linie quer durch meine Augen. Im Mittelgrund  kommt das Grün näher. Bis es anlangt bei dem Kerl der auf dem Stein sitzt wechselt es ins Neapelgelb. Ich musste mich auf dem Stein langweilen, bis ich diese Schönheit entdeckte.

Französische Maler zogen wegen des Lichts nach Barbizon und südlich in die Provençe. Mir hat das nördliche Licht sehr gut gefallen. Der tiefe Horizont entlässt Sonnenstrahlen ungehindert in einen weiten Winkel. Hinzu kommt tiefe Perspektive mit viel Blau das in den Himmel übergeht. Alle Deutschen Landschaften haben große Reize, man muss sie nur sehen können.

Das Buchheimmuseum in Bernried

Das Buchheimmuseum in Bernried

Die Fahrt an den Starnberger See zum Buchheimmuseum führt mich in meine Lieblingsgegend zum Gründer dieser Institution. Lothar Günther Buchheim war eine umfassend künstlerische Begabung. In Dresden, Frankfurt und München hatte er Malerei, Grafik und Kunstgeschichte studiert. Richtig berühmt wurde er jedoch als Schriftsteller durch sein Buch mit dem enormen Kinoerfolg „Das Boot“. Er hat ein Faible für den deutschen Expressionismus, den ich, ganz nebenbei gesagt, für den bedeutendsten Beitrag der modernen Kunst in Deutschland erachtem und der dem französischen Expressionismus nicht nachsteht. Das Museum liegt wunderschön am Seeufer von Bernried inmitten eines riesigen Parks, den ich mir zwangsweise erwanderte, da der Parkplatz mindestens 1 km vom Museum entfernt liegt. Kübelnde Wassermassen rissen mir fast den Schirm aus der Hand. Zwischen Stuttgart und Starnberg wurde ich auf den U-Boot-Mann Buchheim bereits gut eingestimmt. Im Starkregen kam ich mir vor wie in einem U-Boot sitzend.

Für mich ist die Gegend des Starnbergersees und dem nahegelegenen Staffelsee mit Murnau ein fast magischer Ort meiner künstlerischen Interessen. Nicht weit weg befindet sich das Franz-Marc-Museum am Kochelsee. Östlich davon kräußeln sich die Wasser des Tegernsees, bekannt für seine Gastronomie, aber mir mehr am Herzen, das Olaf Gulbransson-Museum. Kurzum die ganze Gegend ist mein Malerwinkel.

Andreas Felger

Der Name dieses Künstlers, der in Belsen/Mössingen lebt ist mir noch nicht lange bekannt. Diese beträchtliche Bildungslücke musste geschlossen werden. Deshalb habe ich mir ein Buch gekauft das bereits 30 Jahre alt ist. Der Künstler hat sich in der Zwischenzeit erheblich weiterentwickelt. Wie auch immer seinen Aquarelle begeistern mich ganz besonders.
Ganz nebenbei mit Wasserfarben zu malen taugt von Kindesbeinen an. Man kann es auch zu Meisterschaft bringen, muss aber wissen, dass es die schwierigste Maltechnik überhaupt ist.

Aquarelle von Andreas Felger. Entnommen meinem momentanen Lieblingsbuch: Andreas Felger „ALB“ Aquarelle, Präsenz Verlag Gnadental 1985. Es ist noch käuflich bei Amazon.

Es lohnt sich, im Internet zu stöbern. Felger ist in allen Techniken virtuos, ob Holzschnitt, Aquarell, Ölmalerei, Zeichnungen und vielerlei Drucktechniken.

Hässlichkeit in der Kunst

Hässlichkeit in der Kunst

Hässlich in der Kunst ist das, was keinen Charakter, d.h., weder eine äußere, noch eine innere Wahrheit besitzt, ferner das, was falsch und künstlich ist, anstatt ausdrucksvoll zu sein, einnehmend oder schön sein möchte, was gekünstelt und gesucht ist, was sich nur mit Schönheit oder Anmut brüstet, alles was lügt. In diesem Sinne bin ich der Meinung, dass wirkliche Künstler die nützlichsten Wesen sind. Auguste Rodin in der Zeitschrift „Das Kunstwerk“ 1946

Schaut man sich die Zeichnung von Rodin an (1907) frage ich mich was soll da altmodisch sein?

1967 hatte mein Vater für mich den Beruf des Kochs ausgesucht. Ich aber wollte unbedingt Künstler werden und verbrachte immer meine Ferien im Atelier von Wilhelm Fehrle, im Zeppelinweg in Schwäbisch Gmünd, das Nachbarhaus meines Opas. Fehrle hatte mit Pablo Picasso und George Braque zusammen ein Atelier im Pariser Montparnasse. Fehrle arbeitete bei Auguste Rodin und wurde von Picasso ständig veräppelt weil er bei dem alten Zausel Rodin arbeitete. Rodin galt als überkommen, altmodisch und aus der Zeit. Picasso war unerbittlich und alsbald verließ Fehrle den Altmeister Rodin und wechselte zum moderneren Aristide Maillol. Arbeitslohn gab es bei beiden nicht, aber Maillol schenkte ihm eine kleine Bronzefigur, leider unsigniert und ohne jedes Begleitschreiben. Ich bekam von Fehrle als Lohn eine Madonnenfigur, die abgebildete Schönheit und einige Zeichnungen.

Der Fernsehturm

Der Fernsehturm

216 Meter hoch und feierlich 1956 eröffnet. Am 10. Juni 1954 wurde begonnen und nach 20 Monaten ging das Bauwerk in Betrieb. Heute würde die Bauzeit sicher fünf Jahre dauern. Der Schwabe, auch „Bruddler “ genannt, war damals schwer am Schimpfen. Zugegeben, in den Fünfziger Jahren hatte Deutschland andere Probleme als Schönheiten in den Himmel zu bauen. Heute sind Stuttgarter stolz auf ihr Wahrzeichen. Womöglich kommt es mit dem Bahnhof Stgt. 21 auch so. Irgendwann wird er einmal fertig sein. Er wird schön werden Er wird voraussichtlich nicht schön bleiben. Merkantile Gier, die Innenvermarktung wird jeden Quadratmeter an Dönerbuden, Discountbäcker, Kruscht&Krempel-Läden und diverse übelriechende Etablissements verticken. Den Rest des Orkus besorgen dann Neonwerbung mit Fahnen, dass alles aussieht wie ein häßlicher Fantasyhorror. Dann werden in kurzer Zeit die Sprayern anrücken und der Alltagssiff wird sich etablieren. Es wird halt ein ganz normaler Bahnhof und der hat in Deutschland dreckig zu sein. Irgenwie wird alles schon ein bisschen schön werden. Fachleute sagen aber, dass Züge die wenigen acht Gleise verstopfen werden.
Schluss mit Geunke, ich bin schließlich Optimist. die Chance stehen schecht, aber wir ergreifen sie.

PS. Die Messlatte der Sauberkeit kann man der einfahrende Stuttgarter am Gare del Est in Paris genießen.